Zehntausende haben am Samstag trotz Verbot gegen Rassismus demonstriert. Dies wird ohne strafrechtliche Folgen bleiben. Noch Mitte Mai, als in der Schweiz selbst Kleinstdemonstrationen untersagt waren, griffen die Polizeikorps durch. Kundgebungen gegen die Corona-Massnahmen des Bundes wurden mit grossem Aufwand aufgelöst, Teilnehmende wurden weggewiesen und zu Dutzenden gebüsst. Die Kantonspolizei Bern sprach damals Klartext und erklärte: «Wer sich polizeilichen Anweisungen widersetzt, muss mit einer Anzeige rechnen.»
An diesem Samstag war das nun anders. Kundgebungen mit über 300 Teilnehmenden sind gemäss der bundesrätlichen Covid-Verordnung noch immer untersagt. Das hat Tausende aber nicht daran gehindert, auf die Strasse zu gehen. Dies, obwohl mittlerweile erwiesen ist, dass sich das Coronavirus vor allem bei Grossveranstaltungen, an denen laut gesprochen oder geschrien wird, verbreiten kann. Gebüsst worden ist gestern niemand.
Die Polizeikorps haben gar nicht erst versucht, die Demonstrationen aufzulösen oder zu verhindern. Die Stadtpolizei Zürich zum Beispiel twitterte stattdessen: «Der Umzug wird durch uns toleriert und begleitet.»
Marco Cortesi, Sprecher der Stadtpolizei Zürich, begründet: «Wenn man vor Ort war und gesehen hat, wie viele Leute da unterwegs waren, dann versteht jeder, dass es nicht vernünftig gewesen wäre, das gewaltsam aufzuhalten.» Dies sei insbesondere so, weil das Thema der Demonstration auch Polizeigewalt war.
Auf der einen Seite habe man das Verbot des Bundesrates – auf der anderen Seite das Gebot der Verhältnismässigkeit, sagt Reto Nause, Sicherheitsdirektor der Stadt Bern. Da habe man eine Güterabwägung vornehmen müssen: «Die Kundgebung war soweit friedlich und viele Teilnehmende haben Masken getragen. Es ist eine Güterabwägung und man hat es toleriert.»
Demonstrationen von dieser Grössenordnung könne man nur mit Tränengas und Gummischrot auflösen, erklärt Nause weiter. Und das wäre unverhältnismässig gewesen.
Müssen nun aber die Organisatoren der unbewilligten Demonstrationen mit Konsequenzen rechnen? Die Covid-Verordnung des Bundes hält unmissverständlich fest, dass mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen bestraft wird, wer die Vorgaben des Bundes vorsätzlich nicht einhält. Marco Cortesi, Sprecher der Zürcher Stadtpolizei, sagt: Nein. Da es gar nicht möglich war, eine Bewilligung einzuholen, habe sich auch niemand als Organisator bekannt: «Das hat zur Folge, dass man niemanden belangen kann.»
Sie trinken Coca Cola und Starbucks-Coffee und telefonieren mit dem iPhone
Foto Joseph Birrer
Die Verordnung des Bundes kann umgangen werden
Und in der Stadt Bern hat man auch nicht vor, die Organisatoren ausfindig zu machen. Sicherheitsdirektor Nause: «Bei einer unbewilligten Demonstration ist es in der Praxis schwierig, jemanden gerichtsfest als Organisator haftbar zu machen.»
Das wiederum hat zur Folge, dass die Covid-Verordnung des Bundes relativ leicht umgangen werden kann: Demo-Organisatoren müssen es nur schaffen, genügend Leute zusammenzutrommeln und unerkannt zu bleiben.
Quelle: SRF
15.6.2020