Das Kaltstart-Dilemma bei Hybridautos und Plug-in-Hybriden

Bei Hybridautos und Plug-in-Hybriden kommt es häufiger zu Kaltstarts als bei normalen Verbrennungsmotoren, nämlich immer dann, wenn der Verbrennungsmotor ausgeht und der Elektromotor das Auto durch die Stadt schiebt. Wie schnell lässt sich der Katalysator vorwärmen, damit er Abgase dennoch gut reinigen kann? Was wäre die Methode der Wahl? Ein Forscherteam der Empa hat es ausgerechnet.

Von Januar bis September 2019 wurden knapp 17'000 Hybride und Plug-in-Hybride in der Schweiz eingelöst – eine Zunahme um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Tendenz stark steigend. Diese Autos können einige Kilometer weit rein elektrisch durch die Stadt fahren. Sie brauchen den Verbrennungsmotor erst am Stadtrand, wenn die Fahrerin auf der Autobahn oder der Landstrasse beschleunigt. Das Problem dabei: Der Motor legt dabei einen Kaltstart hin, bei hoher Drehzahl und Motorlast – ganz anders als bislang üblich. Kann die Abgasreinigung da mithalten? Sind die Katalysatoren, die wir seit den 1980er-Jahren einsetzen, für solche Fälle brauchbar? Viola Papetti und Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler haben dies mit einem speziell entwickelten mathematischen Modell nachgerechnet. Und sie geben Empfehlungen, wie Katalysatoren in Zukunft vorgewärmt werden könnten, um optimal zu funktionieren.

Nur ein heisser Kat ist ein guter Kat

Bei einem Kaltstart bläst der Motor heisse Verbrennungsgase in den kalten Katalysator. Dieser muss sich sukzessive aufwärmen, um seine chemische Reinigungswirkung zu entfalten. Solange er kalt ist, entweichen Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide (NOx) und unverbrannte Kohlenwasserstoffe ungehindert an die Aussenluft. Die guten Emissionswerte moderner Euro-6-Fahrzeuge werden erst bei warmem Katalysator erreicht. Die Unterschiede sind drastisch: In den ersten drei Minuten nach dem Kaltstart emittiert ein Fahrzeug mehr Schadstoffe als bei einer 1000 Kilometer langen Fahrt mit betriebswarmem Motor.

Viola Papetti und Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler

Viola Papetti und Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler

Viola Papetti und Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler berechneten, wann ein Katalysator z.B. in einem Plug-in-Hybridauto nach einem Kaltstart zu arbeiten beginnt. Bild ZVG Empa

Chemie und Wärmeaustausch im Katalysator

Für ihre Modellrechnungen wählten die Forscher einen typischen Katalysator eines 2,0-Liter-Benzinmotors. Mithilfe von eigens entwickelten Programmen auf Basis der Open-Source-Softwareplattform «OpenFOAM» berechneten sie, wie die heissen Auspuffgase die Keramikwaben des Katalysators und die katalytische Reinigungsschicht, genannt «Washcoat», aufheizen. Zunächst wird der Kat durch die heissen Gase nur «warmgeföhnt», dann durchdringt die Hitze allmählich die Keramik und die Blechhülle des Katalysators. Etwas später setzen die ersten chemischen Reaktionen im vorderen Teil des Katalysators ein: Die Schadstoffe werden am Washcoat zunächst teilweise chemisch zerlegt. Das sorgt für zusätzliche Wärme, die zur Aufheizung des restlichen Katalysators ausreicht.

Minuten vergehen ohne Abgasreinigung

Die Modellrechnung der Forscher startet an einem Wintertag bei –13 Grad Celsius. In den ersten 30 Sekunden der Autofahrt passiert im Katalysator … gar nichts. Dann beginnt sich das erste Viertel des Katalysators zu erwärmen. Nach einer Minute beginnt die Erwärmung im zweiten Viertel; erst zwei Minuten nach Motorstart wird das dritte Viertel warm. Es dauert insgesamt dreieinhalb Minuten, bis der Katalysator zu drei Viertel durchgeheizt ist und bei 140 Grad Celsius Betriebstemperatur einen guten Teil der Abgase reinigen kann.

Szenario für Hybride und Plug-in-Hybride

Die Forscher wiederholten die Modellrechnung für ein Hybridauto. Angenommen, der Katalysator war schon einmal warm und ist nun im Stop-and-Go-Verkehr abgekühlt, weil der Wagen nur mit seinem Elektromotor unterwegs war.

Der «abgekühlte» Kat hat zwar noch knapp 90 Grad Resttemperatur; doch auch in diesem Fall ist er erst nach drei Minuten völlig durchgeheizt. Allerdings verläuft das Aufheizen auf einem höheren Temperaturniveau, was günstiger für das Einsetzen der ersten chemischen Reinigungsreaktionen ist.

Schliesslich simulierten die Forscher einen Kaltstart auf der Autobahnauffahrt – ein typisches Szenario für Plug-in-Hybride, die mit Batteriestrom bis zum Stadtrand fahren können und dann Gas geben. In diesem Fall ist der Katalysator –13 Grad kalt, doch es fliesst die doppelte Menge an heissen Auspuffgasen durch. Beim Plug-in-Hybrid ist der Katalysator nach 90 Sekunden warm genug, um alle Abgase zu reinigen – der stärkere Abgasstrom «föhnt» den Katalysator schneller warm; die chemischen Reaktionen setzen früher und stärker ein.

Lässt sich ein Katalysator vorwärmen?

Die schlechte Nachricht dabei: Auch modernste Plug-in-Hybride stossen bei jedem Kaltstart noch minutenlang giftige Schadstoffe aus. Das könnte in den nächsten Jahren zum Problem werden, wenn die EU die Abgasvorschriften weiter verschärft. Das Problem lässt sich nur lösen, wenn der Katalysator ganz gezielt aufgeheizt wird, sobald der Verbrennungsmotor anspringt. Oder noch besser: bevor er anspringt. Wie könnte das gehen? «Ich sehe da drei Möglichkeiten», sagt Empa-Forscher Dimopoulos Eggenschwiler. «Man könnte den Motor heissere Abgase produzieren lassen – das kostet allerdings zusätzlich Treibstoff. Man könnte die Hybridbatterie der Autos nutzen, um die Abgase elektrisch vorzuwärmen. Und man könnte den Washcoat des Katalysators mithilfe von Mikrowellenstrahlung vorheizen, eine hier an der Empa entstandene Idee, die sich in Entwicklung zur Serienreife befindet.» Bleibt die Frage: Mit welcher Methode lassen sich Schadstoffe am effizientesten vermeiden? Welche kostet am wenigsten Energie?

Auch das haben die Forscher durchgerechnet: Beim Kaltstart in der Stadt ist es am günstigsten, nur die Abgase vorzuheizen. Beim Kaltstart auf der Autobahn würde das wegen der grossen Abgasmenge zu viel Energie kosten. Hier lohnt es sich, den Washcoat direkt vorzuwärmen. «Am Ende bringt nur eine Kombination aus allen Methoden die besten Ergebnisse», sagt Viola Papetti, die die Simulationsrechnungen durchführte.

Auch für die Elektromobilität nützlich

«Da wäre noch eine weitere interessante Sache», sagt Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler am Ende des Gesprächs. «Schon seit einiger Zeit wenden wir unsere Berechnungsmethode auch bei Elektroautos an.» Das Simulationsprogramm der Empa-Forscher kann tatsächlich nicht nur die Wärmeverteilung im Abgastrakt eines Verbrennungsmotors berechnen, sondern ebenso gut diejenige in einer Lithium-Ionen-Batterie. Damit eignet sich das Tool perfekt, um die Kühltechnik in Elektroautos zu optimieren – aber auch die Kühlung der Ladestationen. Eine nicht ganz unwesentliche Zweitnutzung der Software, denn: Nur mit einer optimalen Temperaturüberwachung und Kühlung sind gute Schnellladesysteme realisierbar.

Quelle: Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA

28.2.2020