Forschende des Labors für Simulation und Modellierung des Paul Scherrer Instituts PSI lösen durch die Kombination von Theorie, Modellierung und Hochleistungsrechnen komplexeste Probleme. Mit leistungsfähigen Computern simulieren sie kleinste Moleküle oder Grossforschungsanlagen.
«Wir stecken mitten in einer Revolution», freut sich Dr. Andreas Adelmann, der Leiter des Labors für Simulationen und Modellierung (LSM) am Paul Scherrer Institut PSI. Damit meint der Ingenieur und Mathematiker die aktuellen Fortschritte auf dem Gebiet der Computertechnologie. «Gegenwärtig sind wir in einer Entwicklungsphase, in der Computer nicht mehr vom Menschen programmiert werden müssen, sondern selbst lernen», erklärt Adelmann. «Die Funktionsweise ist ähnlich der unseres Gehirns. Dieses lernt auf verschiedenste Art und Weise, indem es Eindrücke von aussen verarbeitet.» Ähnlich geschieht das auch beim sogenannten Machine Learning, nur dass dabei die äusseren Eindrücke durch Daten ersetzt werden.
Dieser neue Ansatz ergänzt jedoch nur den traditionellen Lösungsweg, den Adelmann und seine Kollegen üblicherweise verfolgen. Von der Theorie inspiriert konstruieren die Forschenden ein Modell. Letztendlich heisst das: Sie entwerfen ein Computerprogramm als Modell und damit führen sie Simulationen durch.
Am Anfang jedes Modells und jeder Simulation steht die Vereinfachung. Um ein Modell zu erhalten, wird die Wirklichkeit mit Hilfe von Gleichungen beschrieben. Um komplexere Verhältnisse - ein ganzes System - nachzuahmen, braucht es viele solcher Gleichungen. Diese werden in eine mathematische Sprache umgewandelt, die Computersprache. Ein sogenanntes numerisches Modell entsteht.
Je komplizierter das System ist, das in einem Modell abgebildet werden soll, desto komplexer gestaltet sich die Lösung des numerischen Modells. Hierfür benötigen die Forschenden hohe Rechenleistung, die ihnen zum Beispiel mit «Piz Daint» zur Verfügung steht. Das ist nicht nur ein Schweizer Berggipfel, sondern auch einer der leistungsfähigsten Superrechner der Welt, er steht am CSCS (Centro Svizzero di Calcolo Scientifico) in Lugano. Aber nicht für alle Berechnungen müssen die Forschenden auf Piz Daint zurückgreifen. «Das PSI hat gerade in die Erneuerung seines Grossrechners investiert. An unserem «Merlin» können wir mittelgrosse Probleme, z.B. Berechnungen für den SwissFEL, auch in Villigen lösen», so Adelmann.
Zeit und Geld sparen
Dank der verbesserten Rechenleistung von Computern können Forschende heute sogar Modelle und Simulationen von Systemen und Vorgängen entwickeln, die sich nicht in der Realität überprüfen lassen. Schwarze Löcher beispielsweise, jene gewaltigen, alles verschlingenden Masseansammlungen im All, denen man mit Weltraumsonden niemals so nahekommen könnte, um entsprechende Messungen durchzuführen. Andere Ereignisse will man gar nicht erst erleben, beispielsweise Störfälle in komplexen Nuklear-Anlagen. Auch hier werden Modelle und die resultierenden Programme zur Simulation eingesetzt.
Mit den Modellen die sie entwerfen, können die Forschenden berechnen, wie ein Experiment wahrscheinlich verlaufen wird, um so mögliche Probleme in der Versuchsanordnung zu erkennen. «Indem wir die Instrumente schon vorab simulieren oder während des Experimentes in Echtzeit optimieren, können wir teure Strahlzeit für das eigentliche Experiment ideal nutzen», erklärt Adelmann.
Grenzen sind Herausforderungen
«Für gewöhnlich erzielen wir eine hohe Treffergenauigkeit mit unseren Modellen und Simulationen», stellt Adelmann fest. «Unsere Rechenmodelle sind wie ein Mikroskop. Wir können sehr viele Details auflösen, wenn wir etwa einen ganzen Beschleuniger oder einen Kernreaktor simulieren.»
Soweit die Modelle und Simulationen der Forschenden auch reichen, manchmal stossen selbst Experten an ihre Grenzen. Etwa wenn in einem System chaotische Zustände herrschen. Dann kann eine kleine Veränderung einen riesigen, unvorhersehbaren Einfluss auf das Geschehen und das daraus resultierende Ergebnis haben.
Ein Beispiel hierfür ist die Dynamik fliessender Systeme, mit der etwa Wetter und Meeresströmungen, aber auch Kühlsysteme erklärt werden. Sobald Turbulenz entsteht, wird es sehr kompliziert. Fliesst Wasser an einem Hindernis vorbei, bilden sich Strudel; kleinste Faktoren können beeinflussen, an welcher Seite des Hindernisses das Wasser dann vorbeiströmt. Ein solches System kann so sensibel gegenüber nur kleinsten Veränderungen sein, dass die Simulation bei mehrmaliger Durchführung völlig verschiedene Ergebnisse liefert.
«Solche Systeme zeigen uns immer noch die Grenzen bei dem auf, was wir modellieren können oder eben noch nicht verstehen», so Adelmann. «Machine Learning» könnte in manchen Fällen die Lösung sein. «Mit dem neuen Ansatz versuchen wir, ein Computermodell von Prozessen zu kreieren, indem wir die Daten des Experiments zum Lernen verwenden. So entstandene Programme sind viel schneller als solche, die dem konventionellen Weg folgend programmiert werden.« erklärt Adelmann «Hier am PSI sind wir gerade im Begriff, diese neue Technologie kennenzulernen und in unsere Projekte zu integrieren.»
Quelle: Paul Scherrer Institut / Christina Bonanati
2.1.2020