Zofinger Schule verlegt Unterricht in den Wald

Für ein ganzes Schuljahr haben zwei Klassen der Heilpädagogischen Schule Zofingen den Wald zu ihrem Klassenzimmer erklärt. Statt während des Umbaus ihres Schulhauses in ein Provisorium umzuziehen, lernen sie bei Sonnenschein und Regen im Wald.

Tannenzapfen und Rindenstücke eignen sich bestens zum Rechnen und mit einer festen Unterlage kann man auch im Wald schreiben lernen. Wenn dann während des Unterrichts die Waldarbeiter in der Nähe dreissig Bäume fällen müssen, erleben die Kinder hautnah, was der Borkenkäfer für Schäden anrichten kann. Von der in naturbezogener Umweltbildung ausgebildeten Lehrerin Irmgard Hunkeler erfahren die Kinder dann auch gleich, dass es dieses Jahr wegen der Hitze und der Trockenheit besonders viele Borkenkäfer gibt.

Auch andere Tiere wie Spinnen, Bienen und Wespen sind in der Waldschule immer wieder Thema. Die Kinder lernen Ängste abzubauen und sorgsam mit den Waldbewohnern umzugehen. Auf spielerische Weise lernen sie beispielsweise die fünf Sinne kennen und gehen so auch mal barfuss über den Waldboden. Dieser war für viele zu Beginn einfach "Dreck", heute wissen sie aus eigener Erfahrung, dass er von feinem Moos, Brombeeren und einer wertvollen Blätterschicht überzogen ist.

Umbau als Chance

"Seit Jahren war diese Waldschule unser Traum", sagt Projektleiterin Irmgard Hunkeler strahlend. Sie ist überzeugt, was man draussen lernt, ist viel stärker mit Emotionen verknüpft und bleibt deshalb besser im Gedächtnis haften. Als klar wurde, dass mit dem Umbau der Heilpädagogischen Schule (HPS) sowieso alle Klassen in ein Provisorium umziehen müssen, war für sie der richtige Moment für die Umsetzung des Projekts gekommen.

Projekt mit Seltenheitswert

Waldspielgruppen und –kindergärten haben sich in der Schweiz seit längerem etabliert. Waldschulen für Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren, welche das Ganze Jahr draussen sind, sind dagegen eine Seltenheit. Dennoch stimmten die Schulleitung und Schulpflege Zofingen dem Vorhaben zu und die aufwändigen Vorbereitungen konnten beginnen. Für das Projektteam, bestehend aus Irmgard Hunkeler, Anja Lingg und Elena Lerch, galt es einen passenden Ort zu finden. Dieser sollte weitab der Zivilisation liegen und doch Wasser und Strom bieten.

Das Waldhaus Uerkheim erwies sich als ideal. Auf die Anfrage reagierten sowohl die Gemeinde als auch der Förster sehr wohlwollend. Erfreulich war auch das Interesse der Schülerinnen und Schüler sowie ihrer Eltern. Nach einer Informationsveranstaltung waren die beiden geplanten Waldklassen mit 17 Kindern auf Anhieb voll. So kam es, dass am 12. August 2019 von den fünf Mittelstufenklassen der HPS zwei ihren Unterricht im Wald starteten. Dies, nicht ohne dass sich vorgängig alle kostenlos gegen Zecken impfen lassen konnten.

Einzelförderung und Therapien als Knacknuss

Die HPS unterrichtet Kinder und Jugendliche mit einer leichten bis schweren geistigen Behinderung. Zum Schulangebot gehören deshalb auch Einzelförderung und Therapien wie Logopädie. Diese auch im Wald anzubieten, hätte den Rahmen gesprengt. So galt es für einzelne Kinder abzuwägen, ob sie wie gewohnt zur Schule gehen und diese Angebote nutzen wollen oder ob die Erfahrung der Waldschule die Therapien aufwiegen kann.

Kein Überlebenscamp

Pro Woche sind die Kinder drei ganze Tage und zwei Halbtage in der Waldschule. Ob Sommer oder Winter – der Unterricht findet draussen statt. "Aber wir machen kein Überlebenscamp, wir sind zum Lernen hier", sagt Irmgard Hunkeler. Deshalb steht jederzeit die Waldhütte als Rückzugsmöglichkeit zur Verfügung, sollte das Wetter doch einmal allzu garstig sein. Im Notfall lässt sich diese auch mit Holz heizen. Trotz Regen, bereits am ersten Schultag, haben die Kinder seit dem Schulstart am 12. August lediglich einmal 20 Minuten Pause im Waldhaus verbracht, sonst waren sie immer draussen. An diversen Stellen sind im Wald Blachen über den "Schulzimmern" aufgehängt. Diese lassen sich bei Regen rasch ausrollen.

Selbstgemachte Spätzli vom Lagerfeuer

Dreimal pro Woche kochen und essen die Kinder am Mittag im Wald. Abwechslungsweise kocht eine Kleingruppe das Mittagessen für rund 20 Personen über dem Lagerfeuer und übernimmt dann auch den Abwasch im Waldhaus. Das Menu reicht von Hotdog über Riz Casimir bis zu selbstgemachten Spätzli mit Hackfleich und Rüeblisalat.

Quelle: Stadt Zofingen