Nach über zehn Jahren Vorbereitung soll am 8. Februar die ESA-Mission «Solar Orbiter» starten. Mit dabei ist auch das Schweizer Röntgen-Teleskop STIX – entwickelt an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Die zur Messung der Röntgenenergie notwendigen Pixeldetektoren an Bord der Raumsonde haben Mitarbeitende des Paul Scherrer Instituts PSI geliefert.
Die Raumsonde «Solar Orbiter» wird voraussichtlich am 8. Februar 2020 mit einer «Atlas V»-Rakete von Cape Canaveral ihre Reise zur Sonne starten. Bis auf 45 Millionen Kilometer soll sich die Raumsonde der Sonne nähern - das ist rund ein Viertel des Abstands zwischen Erde und Sonne. Erstmals sollen auch die bis anhin unbekannten Polregionen des Zentralgestirns untersucht werden. «Solar Orbiter» ist eine Mission der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA mit starker Beteiligung der US-Raumfahrtbehörde NASA.
Die Sonne besser verstehen
Ziel der siebenjährigen Mission ist es, die Ursachen des sogenannten Sonnenwindes zu ergründen. Der Sonnenwind ist ein Strom geladener Teilchen, der ständig von der Sonne abströmt und das ganze Sonnensystem durchdringt. Er ist unter anderem auch für die Polarlichter verantwortlich. Die zehn Instrumente an Bord der Raumsonde versuchen durch verschiedene Messungen dem Rätsel des Sonnenwinds auf die Schliche zu kommen.
STIX soll Sonneneruptionen beobachten
Eines der Instrumente auf «Solar Orbiter» ist das Röntgen-Teleskop STIX. «Wir werden Bilder und Spektren von Röntgenstrahlen der Sonne aufnehmen», sagt Säm Krucker, verantwortlicher Wissenschaftler für STIX und Professor für Sonnenphysik an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Diese Daten enthalten Informationen über physikalische Zustände und Prozesse bei Sonneneruptionen, wenn also riesige Mengen an Materie und geladener Teilchen explosionsartig in den Weltraum geschleudert werden. Aus dem Sonnenwind wird so ein Sonnensturm, der auf der Erde neben starken Polarlichtern auch Störungen an Satelliten, Flugzeugen oder Stromnetzen bewirken kann.
Die Ursachen von Sonneneruptionen hängen mit dem «Coronal Heating Problem» zusammen, einer ungelösten Frage der Sonnenphysik. Während die äussere Atmosphäre der Sonne etwa eine Million Grad Celsius heiss ist, weist die darunterliegende Sonnenoberfläche «nur» gerade 6000 Grad Celsius auf.
Für die Entwicklung und Konstruktion des Teleskops zeigt sich die Hochschule für Technik FHNW in Windisch unter der Leitung von Säm Krucker verantwortlich. Der Astrophysiker hatte die Idee für das Röntgenteleskop bereits vor 18 Jahren entwickelt. In den letzten zehn Jahren bereitete er mit seinem Team an der FHNW die Hard- und Software für STIX vor. Das Projekt wurde durch die ESA und das Swiss Space Office des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI finanziert.
PSI-Projektleiter Martin Bednarzik
PSI-Projektleiter Martin Bednarzik
PSI-Projektleiter Martin Bednarzik im Reinraumlabor, in dem die Pixeldetektoren für STIX hergestellt worden sind. In der Hand hält er eine Quarzplatte mit Strukturen aus Chrom, mit der sich Mikrostrukturen photolithografisch auf Sensormaterialien übertragen lassen. Foto Paul Scherrer Institut / Markus Fischer. Bild ZVG PSI
Pixeldetektoren aus PSI-Hand
Zehn mal zehn Millimeter grosse Pixeldetektoren messen im STIX-Teleskop die Energie und den Zeitpunkt der einfallenden Röntgenstrahlen während einer Sonneneruption. Die Detektoren wurden am PSI von einem Team um Reinraummanager Martin Bednarzik im Auftrag der FHNW entwickelt. Allgemein gilt: Wenn Röntgenstrahlen auf Detektoren treffen, generieren sie dort ein kleines elektrisches Signal, das sich mit empfindlicher Ausleseelektronik nachweisen lässt. Oftmals sind solche Detektoren aus dem Halbleitermaterial Silizium. Doch für die anstehende Mission sind Röntgendetektoren aus diesem Material ungeeignet. «Denn das Teleskop soll ein recht breites Spektrum an Energie messen können», sagt Martin Bednarzik. «Das würde mit Silizium, was normalerweise für solche Bauteile verwendet wird, nicht funktionieren, da seine Absorptionseigenschaften bei höheren Energien das nicht hergeben würden.»
Stattdessen war ein anderer Halbleiter, Cadmiumtellurid, das Material der Wahl. In sechsjähriger Arbeit bauten und testeten die PSI-Forschenden im Reinraum etwa 500 Cadmiumtellurid-Sensoren – und mussten dazu erst einmal die Fabrikationsprozesse entwickeln und optimieren. «Jeder einzelne Sensor ist eine Handarbeit», sagt Bednarzik. Die besten 32 Stück wurden am Forschungszentrum CEA in Paris mit der Ausleseelektronik verbunden und werden jetzt, im STIX-Teleskop eingebaut, mit dem «Solar Orbiter» ins All fliegen.
Zwei Jahre bis zu den ersten Messungen
Eine Herausforderung für die Raumsonde und ihre Instrumente sind die enormen Temperaturunterschiede: Auf der Sonnenseite des «Solar Orbiter» wird es über 500 Grad Celsius heiss, auf der Schattenseite hingegen bis zu -100 Grad Celsius kalt. Ein massiver Hitzeschild aus Titan mit einer eigens dafür entwickelten schwarzen Schutzschicht schirmt die Instrumente von der Sonne ab. Das ist auch ein Grund, warum der Satellit stolze 1,8 Tonnen auf die Waage bringen wird.
Nach dem Start in Cape Canaveral, Florida, braucht die Sonde knapp zwei Jahre, um mit sogenannten «Swing-by»-Manövern an Erde und Venus vorbei in einen Orbit um die Sonne zu gelangen. Voraussichtlich wird die Sonde im November 2021 ihre Messungen aufnehmen und mindestens bis Dezember 2025 in Betrieb sein. Die Forschenden erhoffen sich enge Synergien mit der NASA-Mission «Solar Parker Probe», die bereits im August 2018 gestartet ist. Das Budget der Mission beträgt rund 1,5 Milliarden Euro.
STIX: Wer ist beteiligt?
Das Röntgenteleskop STIX wurde unter der Führung der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW von Schweizer Firmen und Forschungsinstitutionen zusammen mit Partnern aus Polen, Frankreich, der Tschechischen Republik, Deutschland, Österreich, Irland und Italien entwickelt und gebaut.
Die Schweiz ist mit EUI (Extreme Ultraviolet Image) und SPICE (Spectral Imaging of the Coronal Environment) unter der Leitung von Louise Harris, Direktorin PMOD/WRC Davos, an zwei weiteren Instrumenten auf Solar Orbiter beteiligt.
Quelle: Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW mit Ergänzungen des Paul Scherrer Instituts / Brigitte Osterath
30.1.2020
Beteiligte Schweizer Industrie
Almatech SA, Lausanne |
Art of Technology AG, Zürich |
Syderal Swiss SA, Gals |
Maxon Motor AG, Sachseln |
SWSTech AG, Frauenfeld |
Createch AG, Langenthal |
CNC Dynamix AG, Büron |
Ernst Hänni AG, Volketswil |
Heinz Baumgartner AG, Urdorf |
Hasler AG, Vogelsang |
Niklaus SA, Meyrin |
REMOTEC GmbH, Wädenswil |
Ateleris GmbH, Brugg AG |
KOEGL Space, Dielsdorf |
Beteiligte Schweizer Forschungsinstitutionen
Hochschule für Technik FHNW |
Paul Scherrer Institut PSI |
Universität Bern |